Freitag, 23. März 2012

The Status Quo of Nerdiness

Screech: Saved by the bell/California High School
Nerd, der
ist ein Slang-Begriff im Sinne eines Stereotyps, der eine Person beschreibt, die meist intellektuell ist, sozial benachteiligt und unmäßig viel Zeit mit unpopulären, seltsamen sowie technischen oder wissenschaftlichen Themen verbringt, oft bezogen auf  Science Fiction und/oder Fantasy, Computer, Comics oder Sammelkarten.
Nerds werden häufig als unattraktiv, schüchtern und seltsam beschrieben, werden physischen Ansprüchen wie Sport oder körperlichen Auseinandersetzungen meist nicht gerecht und leben zurückgezogen und am liebsten für sich.

Nun soviel zu dem Versuch, einen Stereotyp zu definieren, was, wenn man genau darüber nachdenkt, so gut wie unmöglich ist, da ein Stereotyp nie fest umschrieben ist und darüber hinaus per Definition niemals völlig korrekt ist.





Star Wars: "The return of the living nerds" (doppelte Filmanspielung, wer erkennts? ;) )

Das Nerdtum, der Nerdism oder der Nerdizzle Shizzle  hat in gewisser Weise ein Comeback in der heutigen Popkultur, was gleichermaßen wahr wie falsch ist, doch dazu später mehr.

Ein aktuelles Beispiel dürfte "The Big Bang Theory" darstellen, eine Serie, die sich wie keine andere aktuell laufende dem Dasein einer Gemeinschaft aus Nerds widmet, die jedem in einem gewissen Maße weltfremd erscheinen und denen selber in einem gewissen Maße die Welt fremd scheint.

Garth Algar aus Wayne´s World
Ziemlich parallel zum Beginn dieser Serie hatte man das Gefühl, ein großes "Coming out" der Outsider fände statt.
Auf einmal verkauften die einschlägigen Ladenketten Hornbrillen in einem Maße, wie es seit den frühen 60ern nicht mehr der Fall war.
T-Shirts mit der Aufschrift "Cowabunga" (für die Jungs aus den 90ern), "Han shot first" (für die Jedis unter uns) oder "Bazinga" (für all die Cooper-Jünger) werden auf einmal zu Verkaufsschlagern und auch sonst ist sich niemand zu schade nicht mindestens ein Thema für sich zu beanspruchen, dass in seinen Augen als Aussenseiterheiligtum gilt, es ihn aber trotzdem nicht daran hindert voll und ganz dahinter zu stehen.

Star Wars: A New Nerd?
Wohl kaum, denn das Nerdtum und seine Jünger sind wesentlich älter.


Woher der Begriff Nerd kommt ist weitestgehend unklar. Es gibt mehrere Theorien, wovon ich beispielhaft einige nennen werde:

1. Das Wort Nerd taucht erstmals in dem Gedicht "If I ran the zoo" von Dr. Seuss auf, einen Zusammenhang zur heutigen Bedeutung kann man hier aber nicht finden:


„And then, just to show them, I’ll sail to Ka-Troo
And Bring Back an It-Kutch, a Preep and a Proo,
A Nerkle, a Nerd, and a Seersucker, too!“


2. Mitte der 60er tauchte der Begriff "nurd" an einer wissenschaftlichen Universität in New York auf, laut Mundpropaganda entstand das Wort aus dem vorangegangenen "knurd", was "drunk" rückwärts geschrieben ist und entsprechend auf eine Person hinwies, die lieber über den Lehrbüchern hing, als feiern zu gehen.


3. Das Online Wörterbuch für Etymologie bezieht sich auf das Wort "nert", ein Begriff aus den 40ern, der sich von dem Wort "nut" ableitet und jemanden beschreibt, der dumm oder verrückt ist. Bis heute ist die Redewendung "You´re nuts" sinngemäß erhalten geblieben!


So oder so, begann sich der Begriff nach und nach zu etablieren, Außenseiter gab es schon immer und wird es immer geben, mit dem Wort Nerd fand man das passende Schimpfwort dazu.


Freak Show in Rutland, Vermont, 1941
Einen Unterschied muss man aber hier zu dem Wort "Geek" machen, dass vielen als Synonym zu Nerd bekannt ist, ursprünglich aber eine völlig andere bedeutung hatte.
Das Wort Geek bezeichnete im Amerika des 19. Jahrhunderts Personen die in sogenannten "Sideshows" auftraten.
Sideshows, zu deutsch Schaubuden, waren Attraktionen neben Zirkussen oder Jahrmärkten, die dem Publikum ein gewisses Programm boten. Darunter fielen sogenannte "Freakshows", bei denen Menschen mit Missbildungen oder besonderen Talenten gezeigt wurden, sogenannte Völkerschaun, bei denen Menschen anderer Völker zur Schau gestellt wurden aber auch Varieté-Theater, womit auch klar wird warum Tingel-Tangel Bob im amerikanischen Original der Simpsons Sideshow Bob heißt und oft und umfangreich tanzt und singt.

Der Begriff "Geek" beschreibt zwar also auch Personen mit absonderlichen Fähigkeiten, dies bezog sich aber eher auf physische Begebenheiten als auf Interessen oder den Sozialstatus.
Im Deutschen gab es einen ähnlichen Begriff: "Geck"
Dies beschrieb einen Tor oder Narren, im Rheinland hat sich das populäre "Jeck", speziell zur Karnevalszeit durchgesetzt.
Heutzutage wurde also der Begriff Geek etwas sinnentfremdet, da er sich primär auf Leute bezieht, die eng mit dem Medium Computer verbunden sind, im Prinzip also ein Computer-Nerd.


Mit der Zeit gewann das Wort Nerd an Bedeutung und auch einer gewissen Beliebtheit. Der Nerd als Außenseiter und Schulstreber fand Einzug in die Popkultur und damit ganz speziell ins Fernsehen.

Jerry Steiner aus Parker Lewis: Der Coole von der Schule
Das Fernsehen der 80er und 90er Jahre hatte eine breite Fülle an Sitcoms, die, wie bis heute alle nach demselben Prinzip aufgebaut waren. Meist war das eine relativ normale Familie, die in regelmäßigen Abständen lustige Dialoge und Alltagsprobleme lieferte.
Doch das allein reichte nicht aus um sich von der breiten Maße an Konkurrenz abzugrenzen, also schufen die meisten Serien sich einen Sitcom-Nerd.
Der Sitcom-Nerd hatte in den Serien meist die Aufgabe des Zugpferdes, ihm gebührte es die meisten Lacher durch sein sonderbares und abgegrenzendes Verhalten einzufahren und meist war er derjenige, der sich den Konventionen der anderen "normalen" Charaktere nicht beugen musste und so den Script-Autoren eine gewisse Freiheit in Sachen Humor gab. Nicht alle dieser Sitcom-Nerds verkörperten den Stereotyp eines Nerds, Will Smith war beispielsweise in "Der Prinz von Bel Air" zwar der Außenseiter der Familie, der die meisten Lacher einkassierte, dennoch wirkte sein lockererer Lebensstil als der erstrebenswertere als beispielsweise der seines Konterparts Carlton, der den Stereotypen eines verwöhnten Bonzen inne hatte.



Steve Urkel aus Family Matters
Als einer der populärsten "Sitcom-Nerds" dieser Zeit gilt Steve Urkel aus der Serie Family Matters, zu deutsch: Alle unter einem Dach!

Er stellt in gewisser Hinsicht den Prototypen der "Sitcom-Nerds" da:

1. Er trug eine dicke Hornbrille
2. Hatte damals schon modisch fragwürdige Hosenträger
3. Hatte eine Hochwasserhose die über den Bauchnabel ging
4. Trug bis oben zugeknöpfte schrecklich karierte Hemden
5. Hatte eine sehr hohe fast mädchenhafte Stimme
6. Hatte eine nervige aufdringliche Art
7. Seine Lieblingsmusik ist Polka
8. Er spielt Akkordeon

Das einzige was ihm zum vollendeten Status wohl fehlte war die Gesichtsakne.






Während der Großteil der Familienmitglieder, die Urkel regelmäßig besuchte, ihn akzeptierte oder Mitleid mit ihm hatten, war es gerade der Vater der Familie, Carl Winslow, der Urkel schrecklich nervig fand und darüber hinaus nicht gutheißen konnte, dass dieser sich in seine Tochter Laura hoffnungslos verliebt hatte, war er doch in seinen Augen der geborene Verlierer/Nerd.

Auf Urkel folgten viele ähnliche "Sitcom-Nerds", sei es Jerry Steiner aus Parker Lewis: Der Coole von der Schule, Artie aus Pete und Pete, Wayne und Garth aus Wayne´s World oder einfach Lisa Simpson.

Star Wars: Revenge of the Nerds
Schon eher

1984 veröffentlichte mit 20th Century Fox ein nicht gerade kleines Label den ersten Film, der sich komplett dem Phänomen Nerd zuwendete:
Revenge of the Nerds (ironischerweise lange vor "Revenge of the Sith" erschienen :) )

Der Film handelte von einer kleinen Gruppe Nerds, die auf abgedrehte Art und Weise ihrem Status und ihren Peinigern den Kampf ansagten.
Der Film sorgte dafür, dass die fiktionale Studentenvereinigung der Nerds "Lambda Lambda Lambda" auch in der Realität gegründet wurde und bis heute existiert.

Neben der Etablierung dieses Phänomens in der Öffentlichkeit durch das Fernsehen, entwickelte sich nach und nach ein Medium, dass, entsprechend des Stereotyps, von Anfang an in der Hand der Nerds war: Der Computer und damit das Internet.
Die meisten würden mir wohl zustimmen, dass man Bill Gates, einen der größten Pioniere im Bereich Computer, als "Den Computer-Nerd" schlechthin bezeichnen könnte.
Während man heute jemanden, der sich NICHT mit Computern beschäftigt als seltsam und rückständig bezeichnen könnte, traf das für die damalige Zeit genau umgekehrt zu.

Computer hatten damals bei Weitem noch nicht den etablierten Status, den sie heute genießen und auch nicht die Benutzerfreundlichkeit, die man durch Betriebsprogramme wie Windows oder Mac OS heute als selbstverständlich ansieht.Man musste sich also entsprechend lange und viel mit Dingen wie Programmiersprachen und Dos-Befehlen beschäftigen, was wohl auch heute noch nicht zu den Dingen gehört, die man an einem sonnigen Tag am liebsten macht.



 


"My new Computer came with Windows 7......Windows 7 is much more user-friendly than Windows Vista....I don´t like that!" (Sheldon Cooper - Big Bang Theory)







Gleichzeitig symbolisiert Bill Gates und in gewisser Weise auch das Medium Internet eine neue Ära im Bestehen des Nerdtums.
Auf einmal war es möglich, mit seinen sonst gesellschaftlich so verpönten Hobbys Geld zu machen und erfolgreich und anerkannt [sic] zu sein.
Sei es in Form von Computerentwicklungen (Bill Gates, Steve Jobs), Internetversand- und auktionshäusern (amazon, ebay), sozialen Netzwerken (Zuckerberg und facebook), professionellem Computerspielen oder auch einfach nur der Reparatur und Aufrüstung eines Pcs.

Der Erfolg gab den Nerds Recht und auf einmal verlief die Linie zwischen einem Nerd und einem Genie recht dünn. Prinzipiell tat sie das von Anfang an, nur waren die Möglichkeiten seine Spezialisierung mit Erfolg zu verbinden nie so gehäuft vorhanden wie jetzt.

Mit "The Big Bang Theory" als plakatives Beispiel schließt sich dieser Kreis wieder, den dies ist eine Serie die zum ersten Mal seit längerer Zeit das Nerdtum wieder hochleben lässt, es geradezu feiert.

Doch genau hierin liegt ein gewisser Wiederspruch.

Star Wars: Attack of the Clone Nerds


Artie aus der Serie Pete und Pete
Denn wenn man sich noch einmal die Definition Umschreibung eines Nerds ansieht, dann wird recht schnell klar, dass man im ursprünglichen Sinne nicht zum Nerd wird, weil man sich öffentlich dazu bekennt.
Das Umfeld ist es, welches einem diesen Status zuschreibt und zwar hauptsächlich weiterhin wegen Gewohnheiten, die sich dem Mainstream entziehen, wie kann es also Mainstream sein, dazu zu stehen ein Nerd zu sein.

Ursächlich ist hier wohl, wie ironischerweise bei jedem Trend, sich zu individualisieren und von der Masse abzugrenzen um aufzufallen....indem man einem Trend (Entwicklung, der sich eine breite Masse anschließt) folgt.
Während es da viele äußere Möglichkeiten gibt, wie etwa ein bestimmter Kleidungsstil oder bestimmte Frisuren so ist dies auch möglich in Form von bestimmten Sozialverhalten, Abgrenzung und Nonkonformität. Ein gutes Beispiel wäre hier wohl die Gothik Szene, die sich ein ähnliches Schicksal mit den Nerds teilt.

Beide Subkulturen hatten immer die "Nicht-Akzeptanz" der breiten Gesellschaft gemeinsam. Die Gothik Szene aus Überzeugung und Prinzip, die Nerds aus Mangel an Alternativen.

Doch da die Gesellschaft kein festes Gebilde ist, gibt es immer mal wieder Wellenbewegungen, die Subkulturen auf einmal einen neuen Anstrich verpassen und sie, mal für kurze und mal für längere Zeit, zu neuem Glanz verhelfen.

Feiert das Nerdtum also gerade sein Comeback?

Ja und Nein!

Brainy aus der Serie Hey Arnold
Ja in Form von Sitcoms wie The Big Bang Theory, die Charaktere beinhaltet, die sich ihren Status nicht ausgesucht haben, sondern ihn akzeptieren müssen,
Nein in Form von Modetrends und Lippenbekenntnissen, die zwar vielleicht ehrlich gemeint sind, im Prinzip aber dem wahren Kern des Nerd-seins nicht treffen.

Doch vielleicht liege ich ja auch nur einfach falsch und verkenne, ähnlich wie damals der Computer-Nerd und Sitcom-Nerd verkannt wurden, den neuen Gesellschaftsnerd, denn wie ich schon am Anfang sagte:






Stereotypen sind nie fest umschrieben und darüber hinaus per Definition niemals völlig korrekt!
















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